ARCHIV | MALEREI

  • CLEMENS FREITAG

    Clemens Freitag und ich - 50 Jahre danach


    Es war stets das Bild  im Haus, ein fester Bestandteil des Wohnzimmers, quasi ein Möbel und es wurde niemals als Motiv oder hinsichtlich der Faktur/malerischen Qualität in Frage gestellt. Es war also das Bild in meinem Elternhaus, das Bild meiner Kindheit und Jugend, gemalt von einem scheinbar einzigartigen Könner, der die Malerei perfekt zu beherrschen schien. Details waren genau erkennbar, Grashalme, die Rinde der Birken, die Spiegelung des Himmels auf der Wasseroberfläche. Besonders das Verblauen im Horizontbereich schaffte eine unglaubliche Raumtiefe, die mich als Kind häufig zum Durchstreifen und Erforschen dieser unberührten, eigentümlich vertrauten und harmonischen Szenerie einlud. Das Bild bildete gleichsam ein Fenster mit Blick auf eine scheinbar bekannte, dennoch fremde und unergründliche Region, einen bildhaften Ausschnitt aus der Natur, eine beseelte Landschaft. Wann es von der Wohnzimmerwand meiner Eltern verschwand, ist mir nicht mehr bewusst, vermutlich wurde es im Rahmen einer Renovierung zu Gunsten eines gewünschten moderneren Wohnerlebens aus dem unmittelbaren Lebensbereich entfernt und schließlich im Keller abgestellt. Das Bild war mit „Clemens Freitag München“ signiert und erst vergleichsweise spät stellte sich für mich mit einer gewissen Enttäuschung heraus, dass es sich bei dem Bild um einen sorgfältig gefertigten und gerahmten Kunstdruck handelte und nicht um eine originale Malerei. 

    Einige Jahrzehnte später sollte sich gerade dieses Bild, genauer gesagt, die kontinuierliche spielerische Auseinandersetzung mit diesem Bild und Bildraum als bedeutend für die eigene persönliche Entwicklung darstellen: Erst aus heutiger Sicht ist eine umfangreiche Serie von  Ölskizzen , die unmittelbar vor dem Ölskizzen, die unmittelbar vor dem Kunststudium entstand und die sich auf die Landschafts-fotografie von Franco Fontana  bezog, in neuem Kontext zu werten. Eher intuitiv als inhaltlich fundiert geschaffen, muten mir heute die Ergebnisse etwas zu elegant und traditionalistisch an, thematisieren jedoch für mich eine klare Hinwendung zum Bildraum und problematisieren den Illusionscharakter des zweidimensionalen Bildwerks. Darüber hinaus können diese frühen Kleinformate als erste Auseinandersetzung mit Farbflächen und Farbräumen gesehen werden und bereiten die im frühen Studium vollzogene Hinwendung zu Mondrian, Malewitsch, Rothko und Newman und damit auch die malerische Reflexion malereiimmanenter Fragen vor.

    Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang eine frühe Bildmontage, die aus einem Kunstdruck von Franz Frankls Flusslandschaft aus dem Wohnzimmer der längst verstorbenen Großeltern und einem freigestellten fotografischen Selbstportrait als Rucksack tragenden Wanderer besteht. Bereits hier scheint auf spielerische Weise die Verwendung des Landschaftsbildes als unergründeten Erfahrungsraum deutlich zu werden. Der junge Wanderer  kehrt zurück aus dem Bild, einer schönen Welt, doch ist er nicht Teil dieser Welt, sondern taucht schwarz-weiß in richtiger Perspektive und Proportion am unteren  Bildrand als Teil des Ganzen auf, aber auch als Fremdkörper. Aus heutiger Sicht gefällt mir die Wahl von Frankls Landschaftsbild für dieses Motiv des jugendlichen Rückkehrers, weil Frankl im Gegensatz zu Freitags Flusslandschaft keinen offenen Horizontbereich im Sinne Lorrains anlegt, sondern den Bild- und damit auch Freitag keinen offenen Horizontbereich im Sinne Lorrains anlegt, sondern den Bild- und damit auch den Erfahrungsraum, vielleicht bewusst, abschließt. Zudem weitet sich in dieser fast vergessenen Kollage nicht nur der Erfahrungshorizont, es weiten sich auch die Vorstellungen des Bildbegriffs.

    Trotz dieser spezifischen Geschichte habe ich später Freitags Gemälde abgelehnt, weil es aus studentischer Sicht ein Synonym für das Traditionelle, Gestrige, Dekorative und Bürgerliche darstellte und erst heute im Zuge einer eigenen Werkrückschau eine, wenngleich auch bewusst emotional und unwissenschaftlich geführten, Auseinandersetzung mit dem Leitmotiv Clemens Freitags, den Flusslandschaften, sinnhaltig werden lässt.  Gerade die langen Jahre der nahezu ausschließlichen Beschäftigung mit gegenstandsfreier Kunst ließ die eigene Bildsozialisation fast in Vergessenheit geraten, auch im elterlichen Wohnzimmer hingen längst echte Hansmanns.  


    Was ist eigentlich an Clemens Freitag und seinen Flusslandschaften interessant?

    Insgesamt muss das „Clemens-Freitag-Projekt“ als Suche nach Einflüssen im eigenen künstlerischem Werk begriffen werden sowie als Reflexion der Rolle eines Künstlers überhaupt. Zunächst verkörpert Clemens Freitag eine heute fast vergessene Künstlerpersönlichkeit im Sinne eines professionell spezialisierten Kunstmalers, der sich ganz wie die niederländischen Barockmaler auf ein Sujet spezialisiert zu haben schien. Entgegen der kunsthistorisch bedeutsamen Strömungen des 20. Jahrhunderts arbeitete Freitag nicht am Infrage stellen von Malerei, er verzichtete auf Abstraktionen und auf die inhaltlich kritische Betrachtung von Wirklichkeiten, vielmehr kultivierte er sein Spezialgebiet, die harmlose Darstellung von unbelebten Flussauengebieten im Vorfrühling. Er bearbeitete damit ein eher gestriges Genre der Malerei, das diffus beseelt scheint, jedoch keinerlei kritische oder inhaltlich pointierte Aussage transportiert. Seine formal und inhaltlich auf die Flussauen zentrierte Arbeit kann auch nicht als seriell-konzeptionell geprägt im Sinne eines Monets verstanden werden.

    Als zweites thematisches und vermutlich wirtschaftlich erträgliches  Standbein entwickelte er – beeinflusst von einem Malerfreund den Bereich der Jagdbilder. In diesem Zusammenhang kann auf zahlreiche Winterlandschaften im Gebirge mit entsprechendem Tierbesatz verwiesen werden. Zudem kombinierte Freitag seine Flussauen auch mit Tierdarstellungen. Allerdings kann ihm in dieser Hinsicht nur eingeschränktes Geschick attestiert werden. Zu groß wirken die Vögel im Schilf am Flussufer, zu ungelenk die Wildschweine am Waldrand.

    1969 gestorben, kann man Clemens Freitag heute als vergessen bezeichnen. Zwar wurde er im Thieme-Becker und im AKL aufgenommen, dennoch sind kaum darüber hinausgehende Informationen zu erhalten. Wir haben es bei Freitag also mit einem Berufskünstler zu tun, der in seinem Werk materiell präsent ist, aber als Person nahezu undokumentiert bleibt und daher auch als Thema vor dem Hintergrund von Vergänglichkeit anspricht.

    Die erneute Begegnung mit der abgestellten Freitag-Reproduktion im Keller des Elternhauses im Jahre 2011 ließ den Wunsch aufkommen, nach einem halben Jahrhundert eine persönliche künstlerische Annäherung an Werk und Person zu suchen und nach Parallelen, Schnittpunkten, Unterscheidungen und Gemeinsamkeiten mit mir selbst zu suchen. Vor diesem Hintergrund habe ich mehrere Originale sowie alle als Kunstdrucke reproduzierten Motive von Freitags Flusslandschafts-Gemälden erworben und damit intensiv studieren zu können. Die künstlerische Auseinandersetzung in Form von Paraphrasen ergab das hier dokumentierte „Clemens-Freitag-Projekt“.  


  • BRIDGES AND TUNNELS | 2010

    Die Serie Bridges and Tunnels entstand 2010 im Zusammenhang mit einer Studienreise nach Brooklyn. 

    In Manhattan spricht man etwas hochnäsig und herablassend über die "Bridges and Tunnels", also Pendler, die aus Brooklyn, Queens oder New Jersey über die Bücken und die Tunnel in das Stadtzentrum zur Arbeit kommen. 

    Der Bilderzyklus nimmt daher die zentralen Brücken New Yorks zum Gegenstand, die mit den "ersten Pendlern", den Portraitbüsten aus dem Metropolitan Museum gestalterisch verbunden werden und damit das Reisen und Migrationsvorgänge thematisieren.

  • BUDDHA | 2014

    Eine Studienreise nach Laos und das Goldene Dreieck führte zu zwei Serien, die sich it dem Thema Buddhismus auseinandersetzen. Während vier große Querformate Buddhafiguren im Zentrum zeigen, die in Bezügen zu Fischen und Vögeln stehen, verweisen die alten Portraits junger Lao auf die Begriffe Vergänglichkeit und Zeit.

  • HANDWERKER | 2015

    Die Handwerker


    Im Zentrum dieses Werkkomplexes stehen fünf großformatige Bilder zum Handwerker. Zur Visualisierung einzelner Handwerker wurde auf einen Bilderzyklus des spätmittelalterlichen Holzschneiders Jost Amman zurückgegriffen, der in seinem Ständebuch beispielhafte Darstellungen unterschiedlicher Berufe zeigt. Für dieses Projekt wurden die Berufe Waagenmacher für den Feinmechaniker, Schlosser und Steinmetz ausgewählt, die Verwaltung verkörpern die Motive Kaufmann und Prokurator. Die historischen Abbildungen begegnen in den Bildern Fotos von Waldstücken und knospenden Zweigen,  die sich auf die unmittelbare tatsächliche Umgebung des Berufsbildungs- und Technologiezentrums  und auch fremde Elemente beziehen, sowie Architekturzeichnungen des Gebäudes, in dem sich diese Bilder konkret  befinden. 

    Als Ergänzung  wurde jedem dieser Bilder eine weitere Malerei zugeordnet, die formal auf ein Bezugsbild reagiert und zudem jeweils unterschiedliche Textauszüge handwerksbezogener Schriften zeigt. Textpassagen über das Handwerk des Soziologen Sennett und der Dichter Homer und Schiller dokumentieren die hohe Wertschätzung des Handwerks in der Kunst. Nahezu monochrom angelegte Malereien überlagern diese Schriftbilder und definieren eine jeweils entsprechende sinnlich-ästhetische Komponente.


  • BLUMENBILDER | 2015

    Die BLUMEN

    In den  öffentlichen Bereichen des Gebäudes finden sich die Blumenbilder und schaffen für Mitarbeiter und Besucher eine positive   Einstimmung. Die floralen Motive sind in der Kunst ein oft behandeltes Thema und bilden häufig Allegorien oder symbolisieren bestimmte Eigenschaften und Zusammenhänge. Die hier gewählten Blüten von Tulpe, Begonie, Wicke, Magnolie, Pfingstrose und Hortensie gehören zu den in unserem Kulturkreis verbreiteten und beliebten Zierpflanzen, die in der alltäglichen Wahrnehmung positiv besetzt sind und sich großer Wertschätzung erfreuen. Die Blütendarstellungen im Rahmen der Bildwerke bilden nicht vorrangig das Dingliche ab, sie beschreiben die Schönheit der Pflanzen nicht objektiv durch eine genaue Darstellung, sondern sie sind aus einem subjektiven Blick heraus durch die emotionale Stimmung der Farbigkeit mehrschichtige Seherlebnisse. Diese sinnliche Ebene wird mit mehreren Bildelementen kontrastiert. Teilweise erweitern Textpassagen das Bild, die das Handwerk im weitesten Sinne thematisieren und definieren eine enge Beziehung zum konkreten Ort, dem Berufsbildungs- und Technologiezentrum.

    Gerade dieser unmittelbare Ortsbezug wird auch in der Bildebene der Architekturzeichnung konkret, die die sachliche Darstellung einer räumlichen Situation beschreibt. Hier gerät das Sachliche in den Hintergrund, erscheint verfremdet und nimmt mit den anderen Bildebenen eine ganz eigene Konkretion des Gebäudes im Sinne einer emotional geprägten Beschreibung an.

HIMMEL | 2009

SONNEN | 2009

  • SEGEL | 2015

    Die SEGEL, das HIER und die HISTORIE der Region


    In den Büros befinden sich zwölf Bilder, die jeweils drei Bezugsfelder miteinander kombinieren. Die Basis bilden unterschiedliche historische Landkarten der Region, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert angefertigt wurden, Ausschnitte aus den Architekturzeichnungen des Gebäudes sowie gemalte Segelflächen, die sich über den Bildgrund zu spannen scheinen. Die Karten beziehen sich auf die Historie der Region. Die Grafschaft Bentheim und das Emsland lagen als überwiegend landwirtschaftlich geprägte

    Gebiete am Rande eines Moores und damit teilweise sehr unwirtlich und eher randständig, dennoch ist die Region für die hier Lebenden positiv besetzt. Die Bilder fordern zu einer aktiven Verortung, zur Suche nach dem eigenen Standort in Gegenwart und Geschichte im Sinne einer Reise mit dem Finger auf der Landkarte.

    Dieselbe Suche nach dem persönlichen Standpunkt im räumlichen Kontext regen die benutzen Pläne des Gebäudes an, sodass hier zwei Koordinatensysteme übereinander die subjektive Sicht des Einzelnen verdeutlichen.  ber diese Bildebenen spannen sich volle Segel, die scheinbar im Wind stehen und Bewegung suggerieren, eine Bewegung, die die aktive Auseinandersetzung im individuellen Reflektieren schafft. Die je unterschiedlichen Kolorationen entsprechen den unterschiedlichen emotionalen Dispositionen, die das menschliche Sein kennzeichnen und ohne die jede Rationalität kraftlos wäre.

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